Die einen davor – Die andern danach

Über den fachlichen Austausch zwischen Palliativkräften und Bestatter*innen am Memento Tag.

Von Tom Schröpfer

Sei Dir der Sterblichkeit bewusst. Das ist die Botschaft des lateinischen Ausdrucks Memento mori und zugleich das Thema des Memento Tags, der dieses Jahr zum ersten Mal stattfand. Angelehnt an den Dying To Know Day, wie es ihn in Australien gibt, wurden auch hierzulande am 08. August einige Veranstaltungen ins Leben gerufen, die öffentlich zum Austausch über Endlichkeit, Sterben, Tod, Trauer und Abschied einluden.

Im Wallufer Bestattungsunternehmen Fischer & Jost kam die Info über diese Initiative zwar vergleichsweise spät an, stieß aber sofort auf offene Ohren und reges Interesse. Eine Woche vor Termin, saß nun das fünfköpfige Team von Fischer & Jost beim Teamgespräch am runden Tisch und fragte sich, wie es diesen Aufruf unterstützen könnte. Schnell war klar, dass die Idee des Memento Tags viele Anknüpfungspunkte an die Tätigkeiten von Bestatter*innen bot.

 

die immer neue Konfrontation mit dem Tod, hält das eigene innere Memento mori Gefühl lebendig , was als Bereicherung für das eigene Leben empfunden wird

 

Zum einen beobachten Bestatter*innen ein Memento mori Phänomen fast täglich bei anderen, da der Tod eines nahestehenden Menschen häufig auch die Realisierung der eigenen Endlichkeit auf den inneren Plan ruft. Die Aufgabe von Bestatter*innen ist es, vor dem Hintergrund anstehender notwendiger organisatorischer Schritte, sensibel mit dieser Erfahrung umzugehen, nicht zuletzt, weil sie von Vielen als existentiell wahrgenommen wird.

Zum anderen beschreiben viele Bestatter*innen, dass die tägliche Beschäftigung und die immer neue Konfrontation mit dem Tod, das eigene innere Memento mori Gefühl lebendig halte, was wiederum als Bereicherung für das eigene Leben empfunden wird.

Im Falle von Fischer & Jost Bestattungen tat sich nun noch ein dritter Anknüpfungspunkt zum Memento Tag auf: als Teil eines Aufbruchs in der Bestattungs- und Trauerkultur, die in Deutschland seit den 1980ern aufblüht, hat es sich auch Fischer & Jost zur Aufgabe gemacht Themen wie Endlichkeit, Abschied, Tod und Trauer öffentlich besprechbar zu machen. Bestattungshäuser wie Fischer & Jost suchen immer wieder nach neuen Möglichkeiten und niedrigschwelligen Formaten, diese Themen aus ihrer vermeintlichen Tabuzone zu locken, so dass sich auch abseits von akuten Trauererfahrungen darüber ausgetauscht werden kann, welche Bedürfnisse und Spielräume rund um das Sterben von Menschen bestehen und wie all das gestaltet werden kann. Die Initiative des Memento Tags kam beim Team von Fischer & Jost entsprechend gut an.

Es war aber auch schnell klar, dass aufgrund der Kurzfristigkeit eine öffentliche Veranstaltung vermutlich auf wenig Wahrnehmung stoßen würde, weshalb sich für das gezielte Einladen zu einem fachlichen Austausch entschieden wurde. Schon lange bestand ein Interesse daran sich mit Palliativkräften aus der näheren Umgebung über die gemeinsamen Themenfelder zu unterhalten – warum also nicht den Memento Tag als Anlass nehmen, um diesen Austausch zu initiieren. Auch hier wurde sich aufgrund der kurzfristigen Einladung wenig Hoffnung auf viele Zusagen gemacht. Und tatsächlich ergab der Rücklauf der Einladungen auch „nur“ zwei konkrete Zusagen. Allerdings freuten sich viele der angeschriebenen Palliativteams über den Anstoß, hatten ebenfalls Bedarf nach dem Ausloten der gemeinsamen Themenfelder, und baten um die Nennung von Alternativterminen mit etwas mehr Vorlaufzeit. Insgesamt kamen hier einige Kontakte zustande, die Lust auf die Zukunft machen.

 

In beiden Berufen ist das changieren zwischen tatkräftigem Handeln und achtsamem Hinhören zentraler Bestandteil der Arbeit

 

Zum verabredeten Zeitpunkt kam dann eine Palliativkraft, die sich zuvor angemeldet hatte. Die zweite Teilnehmerin musste leider kurzfristig absagen – wie das Leben so spielt. So fand der fachliche Austausch zwar in Kleinstbesetzung statt, bot dafür aber die Möglichkeit zum intensiven Kennenlernen beim gemeinsamen Kaffee und beim Rundgang durch das Bestattungshaus. Immer wieder woben sich beim Erzählen über die eigene Arbeit Erfahrungen aus dem anderen Tätigkeitsfeld ein. So berichtete die Palliativschwester beispielsweise, dass sie über die Jahre zwar viele Vorbereitungsmöglichkeiten gelernt habe und diese auch über Kommunikationstechniken erklären könnte – im Grunde ginge es beim ersten Treffen in einer neuen Begleitung allerdings darum, dem Menschen zunächst einmal offen und wohlwollend zu begegnen. Daraus ergäben sich, in den meisten Fällen, von allein Bedürfnisse, die in ihrer Verfolgung die große Offenheit zu einem kleineren Ausschnitt von konkreten Aufgaben reduzierten. Passend zu ihren Worten, öffnete die Palliativschwester ihre Arme weit und führte dann in einer großen Bewegung ihre Hände vor ihrem Körper zusammen. Fast so, als würde sie mit einem großen Mantel ihr Gegenüber umarmen. Die Parallele zum Wortstamm der palliativen Versorgung (lat. Pallium = Mantel) war dabei zwar nur zufällig, schien aber allen Anwesenden mehr als passend. Auch die Bestatter*innen beschrieben ihre Arbeit als vorwiegend begleitend. Die Unterstützung läge darin, das Selbstbewusstsein der Angehörigen in der Begegnung mit dem Tod und der (eigenen) Endlichkeitserfahrung zu steigern. In beiden Berufen sei daher das changieren zwischen tatkräftigem Handeln und achtsamem Hinhören zentraler Bestandteil der Arbeit.

In Walluf war der Memento Tag 2019 also vor allem der Anfang eines Austauschs zwischen zwei Berufsgruppen, die sich in ihrer Arbeit gegenseitig ergänzen können. Beiden Seiten ist daran gelegen in ihren Begleitungen Gestaltungsmöglichkeiten in Abschiedsprozessen aufzuzeigen und umzusetzen. Auf welche Weise Palliativteams und Bestatter*innen dabei in Zukunft enger zusammenarbeiten können – und wie dadurch Begleitungen im Abschiednehmen gelingend gestaltet werden können – wird Thema in weiteren Treffen sein.

Zum Verfasser des Beitrags:

Tom Schröpfer ist Bestatter und Performer.

Als Sterbegefährte und Bestatter bewegt er sich zwischen der Begleitung von Verstorbenen und ihren Zugehörigen sowie in öffentlichen Kontexten als Referent zu den Themen Abschied, Endlichkeit und Trauerkultur.

Als Performer und Mitglied des Theaters der Versammlung, sucht er zum Gelingen dieser Tätigkeiten stets nach zeitgemäßen Gesprächsformaten und neuen Perspektiven auf vermeintlich Bekanntes.

Im Sommer 2019 hospitierte er bei Fischer & Jost Bestattungen.